Tagtäglich schwirrt das Thema „Auslastung“ durch die sozialen Medien und Foren. Lautstark wird verkündet, was für anspruchsvolle Hunde Nordische und vor allem Huskys seien, und dass man sie so richtig auspowern müsse. Da werden Hochleistungsszenarien aufgebaut mit einem stundenlangen Laufpensum samt Zugsport, oft noch Aktivitäten wie Agility, Flyball, Wandern obendrauf. Und es wird behauptet, dass Leute, die dem Bewegungsdrang eines Huskys nicht gerecht würden, sich so einen Hund erst gar nicht anschaffen dürften.
Na, dann machen wir ja offenbar alles falsch. ?
Und dann posten dieselben Leute, die das Auspowern so dringlich einfordern, mit stolzen Worten Fotos von ramponiertem Mobiliar, zerfetzten Kissen und Mondlandschaften. So seien Huskys, und wer das nicht akzeptiere, solle sich doch ein Stofftier zulegen.
Haben wir.
Aber wir haben eben auch zwei Huskys, Sisko und Kira. Und wir haben einen Wurf aufgezogen, drei Welpen, die Familien gefunden haben. Keiner zerwühlt den ganzen Garten. Keiner zerfetzt die Wohnzimmerdeko. Keiner zerbeißt, zerkratzt oder zertrümmert Einrichtungsgegenstände.
Da müssen wir ja wohl alles falsch machen. ?
Offen gestanden, das Wort „Auslasten“ ist für mich inzwischen ein rotes Tuch. Ein Mensch kann einen Hund und ganz bestimme einen Husky nicht wirklich auslasten. Hetzräuber haben eine schier unerschöpfliche Kondition, die ihnen sogar zum Verhängnis werden kann! Es ist richtig, dass Denken müde macht. Aber viel Denken sorgt auch für Überspannung und Unruhe.
Aus der Sicht von Hunden sind Menschen langsam und ohne Ausdauer, ja, sie sind langweilig. Sie balgen nicht wild herum. Sie buddeln nicht. Sie interessieren sich nur ganz wenig für Gerüche (und dann schimpfen sie meistens und zerren einen weg). Sie rennen nicht den Eichhörnchen, Mäusen, Rehen und Wildsauen nach und wollen auch nicht, dass wir Hunde das tun. Mit einem Wort: Sie sind irgendwie blöd. Aber sie haben die Kontrolle über die Ressourcen. Sie sind die Chefs. Und sie haben Streichelhände. Und Sofas!
Ressourcen, das sind erstmal Futter und Wasser. Aber auch der Aufenthaltsort, Ruheplätze, Hundewiese, Garten, Wald- und Feldwege sowie Bürgersteige und Straßen. Und die Beschäftigung. Und – was niemals unterschätzt werden darf! – die Bequemlichkeit: schlafen, dösen, herumlungern, faulenzen.
Alle Tiere schlafen und dösen viel, ganz besonders die Raubtiere. Katzen bis zu 20 Stunden am Tag, Hunde 14 bis 18 Stunden. Dieses natürliche Ruhebedürfnis wird vielen Hunden und ganz besonders Huskys von überengagierten Haltern abgewöhnt durch „Auslastung“. Das Ergebnis sind demolierte Inneneinrichtungen, frustrierte Halter u.v.m., ja, gelegentlich sogar Beißvorfälle. Viele Huskys landen im Tierschutz, weil sie schlicht unruhig sind!
Das zweitwichtigste, was ein Welpe im neuen Heim lernt, ist: „Wo schlafe/döse ich?“ Er braucht einen oder mehrere Rückzugsplätze, wo er sein Ruhebedürfnis ausleben kann. Ungestört von Spielaufforderungen und Futterangebot. Hier soll er sich wirklich ausruhen! Der Welpe sollte dabei auch nicht gestört werden. Genau wie ein Menschenbaby! ?
Wurde das versäumt, muss man es nachholen, den jungen Hund „enthibbeln“, indem man ihm einen geschützten Ruheort zuweist, wo er auch mal bleiben soll (also immer wieder hinschicken!). Anfangs 10, 15 Minuten, später länger. Mama hat das auch so gemacht.
Wenn der Hund eine Transportbox gewohnt ist, eignet diese sich wunderbar als „Höhle“. Und, ja! Man darf diese Höhle auch kurzzeitig schließen (wie auf Autofahrten). Als Alternative empfiehlt sich eine Faltbox aus Stoff oder ein Transportkäfig, den man mit Decken weitgehend zudeckt. Nochmal: Dies ist ein Rückzugsort für den Hund (oder auch zwei Hunde), wo gedöst, geschlafen gelungert und gefaulenzt wird. Und den braucht er, um all die zahllosen Eindrücke vom Spazierengehen, Spielen, Schnüffeln, Toben, Buddeln und Fressen zu verarbeiten.
Auf dieser Basis kann man auch das Alleinsein üben. Denn für den Hund ist die Box ja kein Gefängnis, sondern ein geschützter Ort. Da verlässt er sich auf seine Dosenöffner. Aber bitte nicht halbe Tage und das gar täglich da drin einsperren. Wird die Box zum Gefängnis, ist der Ruheeffekt im Eimer.
Ziel der Ruheerziehung (die selbstverständlich parallel zur normalen Bewegungsbeschäftigung läuft!) ist es, dass der Hund darauf vertraut, dass seine Leute wiederkommen und er sein Bedürfnis nach Schlafen, Dösen und Faulenzen in deren Abwesenheit nutzt.
Auf diese Weise kann man die Aktivitäsphasen so einüben, dass der Hund sich erholt, während seine Dosenöffner Futter jagen gehen, sodass er in der Menschenfreizeit munter ist für Sport, Spiel und Spaß mit den zweibeinigen Langweiler und anderen Artgenossen.
Das schont Mobiliar und Nerven!
Übrigens: Kein Musher fährt jeden Tag mit allen seinen Hunden eine Etappe TransThüringia! Ebensowenig wie Sportler jeden Tag ihre Höchstleistungen abrufen. ?
6 Gedanken zu “Auspowern auspowern auspowern …”
Hallo ,
Ich glaub ,bei Euch bin ich richtig.
Hier sieht man wieder wenn jemand
schreibt der Erfahrung in der Sache hat
von der er schreibt.
Endlich habe ich echte und vernünftige Infos erhalten.
Tausend Dank.
Bis bald.
LG Frank
Liebe Frau Kammerer,
auch ich teile Ihre Meinung. Bisher hatte ich zwar noch keinen Husky, jedoch auch Hunde, denen nachgesagt wird, man müsse Sie auspowern. Unsere Border Collie Hündin, 12 Jahre alt, ist der entspannteste Hund, den ich bisher hatte und unsere junge Groenendael Hündin ist es inzwischen auch, natürlich dem Alter entsprechend. Auch denke ich, dass das Verhalten des Hundes, sehr vom Verhalten des Besitzers abhängig ist. Vielen Dank für diesen wertvollen Artikel und mit freundlichen Grüßen.
Claudia
Herzlichen Dank für die Grüße!
Es ist ja eigentlich nichts Neues. Der durchs Bloggen bekannt gewordene Ulmer Tierarzt Ralph Rückert schrieb schon Anfang 2015 darüber, dass wir unseren Haustieren unseren eigenen Lebensstil überstülpen: http://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=19106
Und er ist nicht der einzige geblieben.
Natürlich gibt es Halter von Border Collies, Aussies, Huskies und Schäferhunden, die ihre Hunde völlig unterfordern. Aber die Mehrheit der Freunde aktiver Rassen übertreibt es – zumindest verbal. Und das kann man gar nicht oft genug wiederholen.
So, jetzt machen wir drei unseren abendlichen Revierkontrollgang. ?
Herzliche Grüße aus Marburg,
Iris Kammerer
Wir haben Zuhause zwei Hunde, beides sind Mischlinge. Während unsere Ida fast immer ihre Power rauslassen möchte reicht es Rocky oft schon wenn man am Tag eine Stunde mit ihm spazieren geht. Rocky ist mehr der Entspannte Ida ist mehr die Aufgedrehte. Ich finde wieviel Auslastung ein Hund benötigt hängt von vielen Faktoren ab. Darunter zählen auch Faktoren wie Vorlieben, Ängste, Interessen und viele mehr.
Danke für diesen tollen Beitrag. Vor ca. 7 Monaten ist unser Ivar ein Husky-Mischling (ca. 80 % Siberian Husky) aus Rumänien bei uns eingezogen. Das erste was wir oft hören, wenn wir uns mit Freunden/Bekannten/Fremden unterhalten ist „Der braucht sehr viel Auslauf“. Als Hundeanfänger war man am Anfang dadurch oft verunsichert, da man sich dachte, kann man dem Hund gerecht werden? Was ist, wenn er zu wenig Auslauf bekommt? Ich bin anspruchsvoll und möchte mir auch die Zeit nehmen, jedoch war dies immer in meinem Unterbewusstsein. Bis ich selbst meinen eigenen Hund aus meiner Sicht sah, ihn jeden Tag mit seinen Stärken und Schwächen sehe und selbst Intuitiv entscheide, wie viel Auslauf/ kognitive Beschäftigung er braucht. Vor allem Hunde aus dem Tierschutz bringen oftmals so viele Ängste, Unsicherheiten und Angespanntheit mit, dass es doch das wichtigste ist, sich sicher zu fühlen und zu wissen ICH DARF AUCH ENTSPANNEN UND MEINE ERLEBNISSE VERARBEITEN.
Ein sehr wichtiges Thema (danke dafür!), das ich nur bestätigen kann.
Wir haben letztes Jahr (wieder) einen Husky aus dem Tierheim adoptiert. Er war zu dem Zeitpunkt ca. 1,5 Jahre alt, aus einer ganz schlechten Haltung. Dazu 4 Monate Tierheim. Er kam zu uns sehr unruhig, gestresst und musste erst lernen zu entspannen. Anfangs hat er mir sogar in die Arme dauernd reingebissen, als Stressverhalten. Nach einigen Tagen ging es besser, Woche zu Woche haben wir einen Fortschritt gesehen. Es war ein hartes Jahr, in dem wir vieles nachholen mussten und ihm vieles abgewöhnen mussten. Mit viel Geduld ging es aber ständig aufwärts.
Ein Jahr später, unser Husky schläft viel, ist entspannt und ist einfach glücklich. Wir gehen im Schnitt insg. 2-3 Stunden am Tag spazieren. Kein Laufen, sondern viel in der Natur sein, viel Schnüffeln können, viel Ruhe. Wir spielen Zuhause Schnüffelspiele und machen eher mentale Beschäftigung.
Resultat: sowohl Zuhause als auch im Büro (er darf in die Arbeit mit) ist er einfach zufrieden und entspannt. Kein Anspringen, kein Möbel- oder Sonstiges Demolieren. Er bleibt auch problemlos einige Stunden allein, wenn es sein muss, und schläft fast durch (sehen wir auf Überwachungskamera).
Ich werde oft angesprochen und gefragt, wie viel wir Laufen und so. Leute sind meistens überrascht, dass wir jetzt nicht unbedingt so viel tun. Der Glaube, ein Husky muss täglich ein Marathon rennen ist scheinbar noch immer in den Köpfen einiger Leute verankert.